Was ich immer wieder zu hören bekomme von Menschen, die sich der Aufgabe verschrieben haben, im Bildungssystem zu verweilen, auszuharren, es von innen heraus zu verändern, ist, dass es doch so viel einfacher sei, es von aussen zu kritisieren statt es von innen zu verändern. Was ich mithöre: Die Held*innen sind (dr)innen, die, die es sich allzu einfach machen, sind (dr)aussen. Letztere nehmen zu.
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Nun wissen wir einerseits, dass die Überzeugung, ein System, das in einem ziemlich maroden Zustand ist (da würden womöglich auch die zustimmen, die finden, mann solle es doch gefälligst oder lieber von innen verändern) und dessen Dysfunktionalität zunimmt, was ja auch empirisch zunehmend und zunehmend eindrücklich unter Beweis steht – u.a. durch einen erstarkenden Mangel an Menschen, die den Lehrerberuf ergreifen bzw. anhand einer größer werdenden Zahl von Menschen, die den Beruf (wieder) verlassen, was jedoch diejenigen, die finden, das System müssesolle doch von innen verändert werden, nicht insofern ins Nachdenken bringt, ob dieses „Innen“ allenfalls schon länger angezählt sein könnte (#Schlagbaum), oder darüber, ob diese in Pädagogistan übliche, sakrosankte Unterscheidung zwischen „Innen“ und „Außen“ womöglich gar nicht mehr zeitgemäss ist, und ihr Aufrechthalten das Problem eher verstärkt als es in Richtung einer Lösung zu navigieren, vielmehr sagen sie: wenn die, die gehen oder gar nicht erst kommen, bleiben bzw. kommen würden, wenn sich trotz des Zustands des Schulsystems ganz viele und viel mehr Menschen dafür entscheiden würden, Lehrer*in zu werden bzw. zu bleiben, dann würde sich dieses System von innen verändern lassen. Aber ich schweife total ab.
Der Lehrermangel besteht bereits seit mehreren Jahren und spitzt sich weiter zu. «Wir haben in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, die Politik hat den Lehrermangel aber zu wenig ernst genommen und unsere Einwände als Jammern abgetan», sagt LCH-Präsidentin Rösler.
Tagesanzeiger, 7. Juni 2022
Nochmal: Einerseits wissen wir, dass die Überzeugung, ein System, das einen bestimmten Zustand der Marodität überschritten hat, und zwar in einem Ausmass, dass es für immer weniger Menschen sowohl auf der Professionsseite eine (berufliche) Alternative ist, als auch dass für Schülerinnen und Schüler über eine ganze Schulbiografie hinweg viel zu wenig von dem herausspringt, was wir Bildung nennen, oder zumindest Bildungsgerechtigkeit, wie empirische Untersuchungen seit vielen Jahren immer und immer wieder bestätigen, weshalb ich mich frage: Warum will es denn einfach nicht besser werden durch das Wirken derjenigen, die dennoch dabei bleiben, und die das System irgendwie doch nicht dabeibleibend von innen verändern? Warum hört der Exitus nicht einfach auf sondern nimmt vielmehr zu? Weil es immer mehr Menschen immer einfacher haben wollen im Leben statt im System zu bleiben und zu kämpfen? Aber ich schweife ab.
Nochmal: Einerseits wissen wir, dass ein System, das einen bestimmten Zustand der Marodität überschritten hat, nicht mehr zu retten ist; dass die zunehmenden Anzeichen seiner Dysfunktionalität anzeigen, dass es mit ihm zu Ende geht.
Eines dieser Anzeichen ist, dass die, die drin bleiben, zu dem Reflex greifen, mann solle doch drin bleiben statt von aussen zu kritisieren – wobei sich ebenfalls über die Jahrzehnte hinweg zeigt, dass auch dann, wenn innen Kritik geübt wird, innen ganz ähnlich dazu aufgefordert wird, doch damit aufzuhören bzw. etwas zu ändern, wenn es einem nicht passt, oder doch bitte zu gehen, wenn es einem nicht passt, bzw. – das ist ein recht interessantes, eher zunehmendes Phänomen, vor allem in digitalen Räumen: dass innen die internen Kritiker zu Held*innen der Durchhaltenden werden, weil sie endlich mal sagen, wie es richtig zu laufen hätte, statt einfach aufzugeben (auch ihren Beamt*innenstatus nicht) – ohne dass sich dadurch (von) innen etwas ändern würde; während „draußen“ alles anders wird. So schnell und radikal, dass einem schwindlig werden könnte.
Kommt also bald die Revolution?
Wohl eher nicht, denn – andererseits – ist all diesen Reflexen und Aktivitäten im Innen gemeinsam, dass sie damit das Bestehende am Leben erhalten – inklusive des offensichtlich unverrückbaren Glaubens-(Grund-)satzes, dass es ein „Innen“ und (dadurch) ein „Außen“ weiterhin zu geben hat: Hier die Schule, dort die Welt (#Schlagbaum).
Dabei ist es am Ende des Tages wie in jeder Familie: Das Pubertier darf kritisieren, solange es den Geschirrspüler ausräumt und den Müll rausträgt. Dass es das nicht tut, führt zu einem Mehraufwand an Kommunikation, nicht aber zur Lösung von Müll- und Geschirr-Problemen, denn die lösen sich ja mit der Zeit von alleine: Mann wird erwachsen, gründet eine eigene Familie und schaut, dass mann sich eine Haushaltshilfe leisten kann. Migrant*innen gibt‘s ja bei Gott genug.
Aber ich schweife ab.