Titelbild: Lisboa 2013
Seit geraumer Zeit dominiert in politischen, ökonomischen und zivilgesellschaftlichen Kontexten eine bemerkenswert einförmige Haltung im Umgang mit dem Phänomen der Entwicklung. Sie wird in unterschiedlichen Varianten vorgetragen, folgt aber stets demselben Muster: Man müsse das Alte wertschätzen, das Bewährte bewahren, die Traditionen respektieren und zugleich offen bleiben für das Neue, für Innovation und Veränderung. Dieses „Sowohl-als-auch“ gilt weithin als Ausdruck von Ausgewogenheit, Vernunft und Verantwortungsbewusstsein. Wer es in Frage stellt, gerät umgehend in den Verdacht der Radikalität, der Naivität oder der Geschichtsvergessenheit.
Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Haltung jedoch weniger als Ausdruck reflektierter Balance denn als rhetorische Formel, die eine zentrale Zumutung vermeidet: die des Entscheidens. Genau hier setzt mein Unbehagen an. Denn das „Sowohl-als-auch“ bleibt nicht neutral. Es ist nicht einfach eine moderate Mittelposition zwischen Extremen, sondern entfaltet in der Praxis eine klare Schlagseite zugunsten des Bestehenden.
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