Lernen gehört nicht der Schule

Ein Essay über Strukturen, Abhängigkeiten und eine andere Logik von Bildung

Auf LinkedIn wurde ich mit dem Vorwurf konfrontiert, ich würde undifferenziert kommunizieren in meiner Kritik der Volksschule Schweiz. Der Vorwurf lautet konkret, dass ich privat geführte Initiativen und Volksschule immer in einem Schwarz-Weiss-Denken gegeneinander ausspiele: Hier die ‚Gralshüter‘, da die Volldeppen, so die Kritik.

Das löst natürlich etwas bei mir aus, zum Beispiel die Frage, wie hoch der Differenzierungsgrad meiner Kritik tatsächlich ist. Darüber kann sich jede und jeder ein eigenes Bild machen durch die Lektüre meiner Beiträge hier im Blog. Mein Eindruck ist, dass ich über die letzten Jahre und verdichtet in den letzten Monaten hochwertige, differenzierte Beiträge publiziere, in denen ich aufzeige, in welche Richtung sich Volksschule möglichst rasch weiter entwickeln muss.

In meinen Beiträgen auf LinkedIn greife ich vor allem tagesaktuelle Themen aus dem Schulkontext auf, kontextualisiere sie und mache auch hier fundierte Vorschläge, wie die Volksschule der Schweiz darauf reagieren kann, wenn sie sich zu einer zeitgemässen Volksschule entwickeln möchte. Privat geführte Initiativen weisen hier ganz klar den Weg.

Der Vorwurf des Undifferenzierten hat in mir gewirkt. Wie so oft ist daraus ein Text entstanden. Die Arbeit mit Texten (im Dialog mit ChatGPT) hilft mir bei der Klärung, was mir wirklich wichtig ist, worum es mir geht und worum nicht. In letzter Zeit ist mir immer wichtiger geworden, die Berufe der Schule aus der Schusslinie zu nehmen, in der sie schon lange stehen, wenn es um die Qualität von Schule geht. Für mich ist ganz entscheidend, dass wir erkennen: wir haben systemische Probleme, wir haben strukturelle Probleme, wir haben keine Probleme mit Lehrpersonen, deswegen lösen wir diese Probleme auch nicht, indem wir Lehrpersonen oder andere Berufe der Schule adressieren. Wir müssen Strukturen adressieren. Von dieser Überzeugung ist auch dieser Blog Post getragen, wie auch meine gesamte praktische Arbeit.

Und los.

Der folgende Text bewertet nicht. Er beschreibt, was ist. Er zeigt, wie Schule heute organisiert ist. Er zeigt, wie diese Organisation das Verhalten von Kindern prägt. Er zeigt, warum Rückmeldungen aus diesem System strukturell verzerrt sind. Er zeigt, was Lernen jenseits dieser Ordnung ist. Er zeigt, dass es bereits jenseits der Strukturen der Volksschule in der Schweiz eine Praxis gibt, die diese andere Logik lebt.

Was Schule ist

Volksschule gibt Kindern und Jugendlichen die Strukturen, die Prozesse, die Inhalte und die Ziele vor. Schulisches Handeln ist darauf ausgelegt, den Schulalltag entlang dieser Kette zu organisieren, zu administrieren, zu kontrollieren und zu bewerten. Die Inhalte sind in Curricula festgehalten. Sie definieren, was in welchem Alter und in welcher Stufe gelernt werden soll. Der zeitliche Ablauf ist getaktet. Lektionen strukturieren den Tag. Prüfungen (in welcher Form auch immer) strukturieren die Etappen. Der Stoff ist gesetzt, der Rahmen ist gesetzt, der Takt ist gesetzt.

Ja, es gibt Volksschulen, in denen Kinder innerhalb eines vorgegebenen Rahmens mehr Freiheiten haben, etwa bei der Reihenfolge von Aufgaben oder beim Zeiteinsatz für ein bestimmtes Projekt. Aber diese Spielräume sind nicht identisch mit Selbstbestimmung über den Tag. Der Zeitrahmen ist gesetzt: Schule beginnt und endet zu bestimmten Zeiten. Die Inhalte sind gesetzt: Die Aufgaben stammen aus dem Curriculum, nicht aus den Kindern selbst. Die Ziele sind gesetzt: Es geht immer darum, vorgegebene Stoff zu bewältigen, in welcher Form auch immer sich dieser Stoff präsentiert. Die Verbindlichkeit ist gesetzt: Am Ende muss jedes Kind zeigen, dass es die Vorgaben erfüllt hat.

Wenn Kinder also „den Takt selbst setzen“, tun sie das nur innerhalb einer engen institutionellen Schablone. Sie entscheiden nicht, ob sie heute Mathe machen oder lieber draussen forschen. Sie entscheiden nicht, mit wem sie zusammenarbeiten, und sie entscheiden nicht, warum eine bestimmte Aufgabe relevant sein soll.

Ja, in manchen (eher wenigen, eher sehr wenigen) Schulen „dürfen“ Kinder verschieben, was sie wann tun. Aber sie dürfen es nicht weglassen. Mathe muss gemacht werden, irgendwann, nach vorgegebenen Kriterien. Damit bleibt es Zwang, nur zeitlich variabel.

Ja, in manchen Schulen und Fällen „dürfen“ Kinder sich Partner:innen aussuchen. Aber die Gruppe, aus der sie wählen, ist vorgegeben. Sie entscheiden nicht, mit welchen Menschen, ausserhalb der zugeteilten Kohorte sie arbeiten wollen. Es ist Wahlfreiheit innerhalb eines geschlossenen Systems, nicht zwischen offenen Möglichkeiten.

Kinder entscheiden bezüglich ihrer Lernprozesse nicht, ob ein bestimmter Inhalt für sie bedeutsam ist. Sie spüren und wissen: bedeutsam ist ein Inhalt, eine Aufgabe, ein Ziel, weil Schule das vorgibt. Sie müssen Mathe machen, ob es ihnen sinnvoll erscheint oder nicht. Das „Warum“ ist institutionell gesetzt: weil es im Curriculum steht, weil es geprüft wird, weil es dem System als unverzichtbar gilt.

Echte Selbstbestimmung würde heissen: Kinder gestalten ihre Lernzeit aus ihren eigenen Fragen, Interessen und Projekten heraus.

Ja, Individualisierung ist möglich, jedoch nur als Anpassung an die Vorgabe. Schulen erlauben verschiedene Wege zum selben Ziel. Sie erlauben unterschiedliche Tempi. Sie erlauben Varianten der Bearbeitung. Die Logik bleibt gleich. Kinder sollen vorgegebenen Stoff verarbeiten und vorgegebene Ziele erreichen.

Innovationen innerhalb des Systems „Volksschule Schweiz“ verändern deshalb nicht die Logik. Die Vorgabe wird nicht verändert sondern die Dosierung und Portionierung. Es gibt grössere und kleinere Einheiten. Es gibt mehr Wahlfreiheit bei Methoden. Es gibt offenere Settings. Die Grundordnung bleibt. Was gelernt wird, steht fest. Die Bewegungsfreiheit liegt darin, wie das Vorgegebene bewältigt wird.

Was in der Volksschule der Schweiz gilt
Die Logik der scheinbaren Kinderzentrierung

Die Volksschule spricht vermehrt eine Sprache der „Orientierung am Kind“. Es gibt Förderpläne, Diagnoseinstrumente, individuelle Lernziele, Lerntagebücher, Lernateliers, Schulinseln. Alles klingt nach Orientierung am Kind. Der Bezugspunkt bleibt trotzdem der Stoff und das vorgegebene Lernziel. Kinder dürfen (allenfalls) herausfinden, wie sie besser lernen. Kinder dürfen (allenfalls) Hilfen wählen. Kinder dürfen (allenfalls) Methoden bevorzugen. Die Fragen nach Inhalt, Ziel und Zeitpunkt sind jedoch gesetzt.

Das ist der zentrale Mechanismus. Er erzeugt den Eindruck von Freiheit und behält die Kontrolle über Zweck und Richtung. Das Kind organisiert (allenfalls) Wege. Die Institution definiert Wozu und Wohin. Die Individualisierung dient nicht der Öffnung, sondern der Optimierung im System. Das ist keine moralische Feststellung. Es ist eine Beschreibung der Struktur.

Abhängigkeit als Grundbedingung

Kinder sind in der Schule nicht aus eigener Entscheidung. Sie entscheiden nicht, mit wem sie dort sind, wann sie dort sind, welche Regeln gelten und nach welchen Kriterien sie beurteilt werden. Sie sind in einem Abhängigkeitsverhältnis. Dieses Verhältnis ist nicht punktuell, sondern umfassend. Es betrifft Zugang zu Anerkennung, zu Noten, zu Fördermassnahmen, zu Übergängen.

In dieser Lage beziehen auch die Lehrpersonen einen grossen Teil der Bestätigung über die Qualität ihrer Arbeit aus der Klasse. Das ist Teil des Spiels, es ist systemisch bedingt. Lehrpersonen beobachten Reaktionen, Stimmungen, Kooperationsbereitschaft, Ruhe und Aufmerksamkeit. Sie deuten diese Phänomene als Rückmeldung auf eigenes Handeln und Intervenieren. Diese Rückmeldungen kommen von Menschen, die von ihnen abhängig sind. Das ist eine strukturelle Asymmetrie. Sie prägt beide Seiten. Sie prägt, wie Lehrpersonen sich selbst und ihre Wirkung sehen. Sie prägt, wie Kinder sprechen, schweigen und handeln.

Aus dieser Asymmetrie folgt ein weiterer Punkt. Kinder können im System Volkssschule keine freien Rückmeldungen geben. Jede Rückmeldung ist durch die Abhängigkeit bestimmt. Kinder antizipieren Folgen. Sie schützen Beziehungen. Sie vermeiden Nachteile. Sie suchen Vorteile. Sie bewegen sich in einer Ordnung von Macht, Anerkennung und Sanktion. Das gilt für Lob und Kritik. Das gilt für Zustimmung und Widerspruch. Es ist kein Vorwurf an Kinder, keiner an Lehrpersonen. Es ist eine Folge der Struktur von Volksschule.

Verhalten als Spiegel der Struktur

Sprache, Körperhaltung, Gestik, Aufmerksamkeit, Unruhe, Rückzug, Widerstand und Kooperation sind in der Schule nie neutral. Sie sind Reaktionen auf einen Ort, der fremdbestimmt ist. Kinder wählen diesen Ort nicht. Sie wählen die Zeit nicht. Sie wählen die Gruppe nicht. Sie wählen die Regeln nicht. Ihr Verhalten entsteht in dieser Konstellation. Die schulische Praxis aber deutet ihr Verhalten individuell. Als Abweichung. Wenn ein Kind nicht klar kommt, wird das Problem im Kind lokalisiert.

Daraus folgen Massnahmen. Unterstützung, Förderung, Belohnung, Bestrafung, heilpädagogische Begleitung, Therapie, Separation. Diese Instrumente wirken auf das Kind. Die strukturelle Ursache bleibt unangetastet. So immunisiert sich das System fortlaufend.

Die Volksschule verwandelt Irritationen des Rahmens in Eigenschaften der Kinder.

Damit verliert die Volksschule die Chance, aus Verhalten etwas über sich selbst zu lernen. Das System erhält keine unverstellte Rückmeldung über seine eigenen Bedingungen. Es liest alles als Anpassungsfrage. Es interpretiert Abweichung als Defizit. Es stabilisiert sich – über Massnahmen am Kind.

Was Lernen ist

Lernen gehört nicht der Schule. Lernen geschieht immer. Es organisiert sich selbst. Kinder erkunden Welt. Sie beobachten, vergleichen, imitieren, kombinieren, entwerfen, verwerfen und beginnen neu. Dieser Prozess beginnt vor der Schule, er setzt sich ausserhalb der Schule fort und er endet nicht mit Schulschluss.

Da Lernen sich konsequent selbst organisiert, besteht die Aufgabe der Lernenden nicht in der Übernahme einer fremden Steuerung. Ihre Aufgabe besteht darin, die eigene Selbstorganisation bewusst zu gestalten. Dazu gehören Orientierung, Zielbildung, Auswahl von Ressourcen, Kooperation, Umgang mit Irritationen, Massstäbe der Qualität und die Fähigkeit, Gründe zu nennen.

Rechenschaft ist in dieser Sicht keine Pflicht, die von aussen gesetzt wird. Sie ist Teil der Praxis. Lernende entscheiden, wann sie etwas zeigen, wem sie es zeigen, in welchem Forum sie es zeigen und warum sie es zeigen. Ausstellung, Gespräch, Verteidigung, Dokumentation und Artefakt sind Formen dieser Praxis. Sie entstehen aus dem Bedürfnis, Arbeit zu teilen, zu prüfen und zu verbessern.

Was daraus für Schule folgt

Wenn Lernen sich selbst organisiert, liegt die Aufgabe nicht darin, dass Schule zusätzliche Bedingungen schafft. Kinder und Jugendliche brauchen keine von aussen hergestellte Resonanz, keine künstlich eingerichteten Beziehungen, keine institutionell definierten Qualitätsmassstäbe. Sie sind bereits in Resonanz mit Welt. Sie stehen in Beziehungen zu Menschen, Orten, Fragen und Öffentlichkeiten. Sie verhandeln Bedeutung, Anerkennung und Massstäbe alltäglich: in Familien, in Freundschaften, in digitalen Räumen, in Sport und Kultur, in Konflikten, in vielfältigen Gemeinschaften.

Doch die Volksschule geht davon aus, dass sie entweder qualifiziertes Lernen überhaupt erst hervorbringt, oder dass sie dem „informellen Lernen“ eine besondere, qualifizierte Form verleiht. Das ist ein grundlegendes Missverständnis. In Wirklichkeit lenkt sie das ohnehin selbstorganisierte Lernen der Kinder in institutionelle Bahnen, formt es nach eigenen Vorgaben um, nimmt es den Kindern aus der Hand und gibt es ihnen als schulisch organisiertes, gesteuertes und kontrolliertes wieder zurück.

Doch Schule ist keine unverzichtbare Instanz zur Ermöglichung von Lernen. Sie ist eine Einrichtung, die Lernen in institutionelle Bahnen zwingt, und die die ohnehin schon vorhandene Resonanz kanalisiert und umcodiert. Sie beansprucht Steuerung, wo Steuerung gar nicht nötig ist, weil Lernen immer schon geschieht. Das erklärt, warum schulische „Innovationen“ selten mehr als kosmetisch wirken: Sie verändern nicht die Logik der Vorgabe, sondern nur die Form ihrer Durchsetzung.

Praktiken, die Lernen nicht enteignen

Big Picture Learning zeigt eine Ordnung, die Interessen der Lernenden in den Mittelpunkt stellt. Jugendliche entwerfen persönliche Lernpläne. Sie arbeiten regelmässig ausserhalb der Schule in Betrieben, Organisationen und Ateliers. Rechenschaft legen sie in Ausstellungen ab. Sie wählen Formate und Adressaten mit. Quelle: https://education-reimagined.org/findings-from-the-big-picture-learning-longitudinal-study/

Agora zeigt, dass Schule ohne Fächer, Stundenplan und Curriculum funktioniert. Jugendliche bringen eigene Fragen ein. Sie arbeiten in Projekten. Sie erhalten Coaching und punktuelle Inputs. Rechenschaft erfolgt im Gespräch, im Portfolio, in der Präsentation. Quelle: https://hundred.org/en/innovations/agora

Die Sudbury Valley School zeigt radikale Selbstbestimmung. Es gibt kein Curriculum, keine Pflichtkurse, keine Noten. Ähnlich die Villa Monte im Kanton Schwyz. Entscheidungen fallen demokratisch in der Schulversammlung. Unterricht findet statt, wenn Lernende ihn wollen:

The Sudbury model is a unique approach to education based on children’s natural desire to learn. We believe that humans are designed to learn. The most important things to young people’s growth are time, space, and resources within a caring community.“
Quelle: https://www.tallgrasssudbury.org/sudbury-model zenademocraticschool.org+8Wikipedia

Learnlife versteht sich als globale „Community of learning“, die das Paradigma selbstorganisierten, lebenslangen Lernens stärkt. Im Zentrum steht die Idee, dass Menschen ihren eigenen Sinn (ikigai) als Motor für Lernen entwickeln. Ziel ist nicht, Lernumgebungen künstlich zu erzeugen, sondern vorhandene Selbstorganisation zu unterstützen und Vielfalt von Zugängen sichtbar zu machen.Quelle: https://www.learnlife.com/faq

Von Anpassung zu Selbstorganisation

Die von mir beschriebenen und kritisierten Effekte lassen sich aus der Struktur ableiten. Ich muss also zu keinem Zeitpunkt Lehrkräfte adressieren, denn es geht um eine Struktur, die auch Lehrkräfte bindet. Die Verhältnisse, in denen Lehrpersonen arbeiten, geben den Raum vor, in und zu dem sich Lehrkräfte verhalten können. Das war’s.

Für die Kinder wiederum gilt: Wenn Vorgabe, Takt und Bewertung dominieren, wird Kindheit zu einem Prozess der Annäherung an Normen. Verhalten wird zur Anpassungsfrage. Abweichung wird zum Defizit. Rückmeldungen werden zu Strategien. Lehrpersonen lesen aus Abhängigkeit Bestätigung. Kinder lernen, Erwartungen zu bedienen. Die Institution stabilisiert sich.

Wenn Selbstorganisation anerkannt wird, verschiebt sich die Aufmerksamkeit. Nicht mehr das Abarbeiten von Stoffplänen oder das Erreichen vorgegebener Ziele steht im Vordergrund, sondern das, was Kinder und Jugendliche tatsächlich tun: ihre Fragen verfolgen, etwas erforschen, etwas herstellen, etwas sichtbar machen. Dieses Tun – die eigene Lernarbeit – bildet den Mittelpunkt.

Zeit richtet sich nach der Sache, nicht nach dem Stundenplan. Öffentlichkeit entsteht nicht durch den Blick einer Lehrperson, sondern durch das Teilen der Arbeit mit anderen. Qualität wird gemeinsam verhandelt. Rückmeldungen entstehen nicht mehr aus Abhängigkeit, etwa aus dem Bedürfnis, es einer Lehrperson recht zu machen, Nachteile zu vermeiden oder Belohnung zu erhalten. Sie entstehen aus Gründen, die im Lernprozess selbst liegen:

  • aus der Suche nach Kriterien, die Qualität plausibel machen und an denen ich wachsen kann
  • aus dem Bedürfnis, meine Arbeit zu verbessern
  • aus dem Wunsch, meine Idee oder Lösung mit anderen abzugleichen
  • aus der Verantwortung gegenüber einer Gemeinschaft, die an gemeinsamen Fragen arbeitet
  • aus der Freude, etwas Öffentliches beizutragen, das Bestand hat

Anerkennung entsteht nicht mehr aus dem Gefälle zwischen Lehrperson und Kind, sondern aus dem, was eine Arbeit inhaltlich trägt. Sie ergibt sich aus der Güte der Arbeit selbst: ob eine Idee stimmig begründet ist, ob ein Produkt funktioniert, ob eine Darstellung überzeugt, ob ein Beitrag für andere nützlich ist. Diese Anerkennung wird nicht von oben verteilt, sondern entsteht im Feedback einer Gemeinschaft, die die Arbeit sieht, prüft, kommentiert, weiterführt. Sie zeigt sich in der Resonanz der Umwelten, in denen diese Arbeit wirkt. Mitschüler:innen, Eltern, Expert:innen ausserhalb der Schule, die Öffentlichkeit. All diese Stimmen sind kompetent, weil sie aus realer Nutzung, Verständlichkeit und Relevanz urteilen.

Das verändert Identitäten: Kinder erfahren sich nicht mehr als Objekte der Bewertung, sondern als Subjekte, deren Arbeit Wirkung entfaltet. Es verändert Rollen: Lehrpersonen treten nicht länger als Richterinnen auf, sondern als Mitwirkende in einem gemeinsamen Prozess. Und es verändert die Kultur: Lernen wird nicht als Wettbewerb um Noten verstanden, sondern als kollektives Ringen um Qualität, Sinn und Verbindlichkeit.

Was Politik und Öffentlichkeit wissen sollten

Lernen organisiert sich selbst. Es macht seine Arbeit öffentlich, es sucht Resonanz in alltäglichen Beziehungen, es bringt Massstäbe und Kriterien hervor. Kinder und Jugendliche klären Qualität in ihren eigenen Prozessen, sie verhandeln Anerkennung in Gemeinschaften, sie entwickeln Formen, Leistung sichtbar zu machen: in Gesprächen, in Artefakten, in gemeinsamen Auseinandersetzungen über das Erreichte.

Unterstützung wird nicht von aussen verordnet, sondern dort angenommen, wo sie gebraucht und angefragt ist. Übergänge ergeben sich aus Arbeiten, die schon bestehen, nicht aus Punkten, die von oben vergeben werden.

Schluss

Was ich in diesem Blogpost formuliere, ist keine Forderung, sondern eine Folgerung aus dem, was ist. Wer Lernen als eigenlogischen Prozess versteht, erkennt: Die Volksschule kann das in ihrer jetzigen Form gar nicht anerkennen. Ihre Struktur zwingt sie, es zu überformen, zu kanalisieren und damit den Kindern zu entfremden. Anerkennung entsteht ausserhalb dieser Vorgaben, in den Lebenswelten, in Gemeinschaften, in der Selbstorganisation. Was Schule hervorbringt, ist Anpassung. Nicht, weil Lehrpersonen es so wollen, sondern weil die Struktur es erzwingt.

Das ist der Kern meiner Kritik an der Schweizer Volksschule.

Lernen gehört nicht der Schule. Lernen geschieht immer. Es organisiert sich selbst. Der Auftrag für Erwachsene, für Lehrpersonen, für Politik und für Öffentlichkeit ergibt sich daraus fast von selbst. Kinder brauchen keine Besetzung ihrer Lernprozesse. Sie brauchen Anerkennung ihrer Arbeit, Schutz ihrer Zeit, Zugang zu Welt und echte Öffentlichkeiten. Alles Weitere stört mehr, als es hilft.

Ich bin und stehe bereit, jederzeit, immer mit anderen zusammen, in echter Kollaboration, tatsächlich innovative Formen von Bildungsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu kreieren, wie ich sie hier und bei anderen Gelegenheiten skizziere – mit meiner umfangreichen Erfahrung, mit meiner Fähigkeit, Prozesse der Visionsentwicklung, der Leitbildfindung und der Formulierung von Strategien zu designen zu begleiten, zu steuern und zu evaluieren und daraus gemeinsam Konzepte abzuleiten, mit meiner Expertise als Lehrperson in klassischen Kontexten und als Lernbegleiter und Colearner in innovativen Settings. Verbindlich und nachhaltig.

Wer dafür die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellt und Bereitschaft nicht nur signalisiert, sondern gewährleistet, möge umgehend mit mir Kontakt aufnehmen. Ich stehe bereit.

Titelbild: Lernlandschaft an der Volksschule Wädenswil. Quelle.

Avatar von Unbekannt

Autor: Christoph Schmitt

Bildungsaktivist | LinkedIn Top Voice | Colearner | TEDx Speaker | Bildungsdesigner | Bildungsethiker | systemischer Coach & Supervisor | Rituals Expert | Blogger | Nörgler | Ressourcenklempner. Ich unterstütze alles, was mit Aus- und Aufbrechen aus Beschulung zu tun hat. Für Jung UND Alt. Meine Kernkompetenz: Entwicklung ganzheitlich begleiten, moderieren, inspirieren.

Hinterlasse einen Kommentar