KI und Schule: Warum ein bisschen Update nicht reicht

Dieser Beitrag entstand im Dialog mit ChatGPT. Ich habe Ideen, Argumente und Formulierungen gemeinsam mit dem Sprachmodell entwickelt, überarbeitet und pointiert – als Teil eines experimentellen Schreibprozesses mit künstlicher Intelligenz.


Es ist ein bekanntes Muster: Eine neue Technologie tritt auf den Plan, wir sprechen von Disruption, Chancen, Herausforderungen und beginnen dann, sie in bestehende Systeme zu integrieren, als wäre sie nur eine weitere App. So verfahren wir gerade mit der Künstlichen Intelligenz in der Schule: Lehrpersonen lassen ChatGPT Zusammenfassungen schreiben, Schüler:innen basteln Referate, Schulleitungen diskutieren Richtlinien für den Umgang mit KI. Alles wirkt geschäftig, fortschrittlich und modern. Doch gleichzeitig bleibt alles beim Alten.

Die Illusion der Integration

Wir behandeln KI derzeit wie ein Tool: wie den Taschenrechner, wie Powerpoint, wie Moodle. Gefragt wird, wie es Lehrpersonen entlasten und Lernprozesse individualisieren könnte, und wie es in den Unterricht eingebaut werden soll. Das klingt vernünftig, ist es aber nicht. Diese Denkweise übersieht das Entscheidende: KI ist nicht irgendein weiteres Tool im pädagogischen Werkzeugkasten. Sie steht für einen Paradigmenbruch.

Die Frage ist nicht: Wie integrieren wir KI in Schule, sondern: Wie muss Schule sich verändern, damit sie im Zeitalter der KI überhaupt noch einen Sinn ergibt?

Was Schule heute (noch immer) ist

Wer verstehen will, warum KI nicht einfach „dazukommt“, muss sich anschauen, wie Schule heute funktioniert. Ihre Logik ist alt, und sie ist tief verankert:

  • Schuljahre gliedern Biografien
  • Jahrgangsklassen sortieren Menschen nach Alter, nicht nach Interesse oder Reife
  • Unterricht ist linear: allen dasselbe am selben Ort zur selben Zeit in derselben Form
  • Inhalte sind gegeben, nicht verhandelbar
  • Lernzeit ist fremdbestimmt
  • Prüfungen sind das Nadelöhr jeder Anerkennung
  • Kontrolle ist das Betriebssystem: Kontrolle über Stoff, Verhalten, Fortschritt, und über das Selbstbild der Kinder und Jugendlichen.

Das Ergebnis bis heute: eine Schule der Selektion, die weniger bildet als filtert, und die längst nicht mehr mithalten kann mit der Dynamik der Welt, schon gar nicht mit Künstlicher Intelligenz, einem System, das nicht bewertet, nicht nach Lehrplänen lernt und keine institutionellen Strukturen benötigt, um Wissen zu verarbeiten.

Hier prallen zwei Welten aufeinander: Ein analoges Ordnungssystem, das auf Standardisierung, Kontrolle und Vergleichbarkeit beruht und eine digitale Kultur, die fluide, kontextsensitiv und permanent lernend ist.

Künstliche Intelligenz macht sichtbar, wie dysfunktional viele schulische Routinen längst geworden sind. Sie zeigt, dass Informationsabruf keine Kompetenz ist. Sie entlarvt das Abprüfen von Reproduktion als leeres Ritual. Sie unterwandert die Idee von „richtig“ und „falsch“, weil ihre Antworten oft wahrscheinlicher als eindeutig sind.

Kurz: KI ist nicht nur schneller. Sie spielt ein anderes Spiel. Und Schule verliert, wenn sie versucht, mit ihren veralteten Regeln mitzuhalten.

Deshalb reicht es nicht, KI irgendwie zu „berücksichtigen“.
Wir müssen Schule grundlegend anders denken – nicht trotz, sondern gerade wegen der KI.

KI verändert alles – auch uns

KI ist kein weiteres Unterrichtsmedium. Sie ist ein Spiegel unserer Kultur, ein Katalysator für neue Machtverhältnisse – und eine Herausforderung für unsere Vorstellung von Bildung:

  • Was zählt, wenn alles Wissen jederzeit verfügbar ist?
  • Wer ist kompetent, wenn KI Lösungen schneller produziert als jedes menschliche Hirn?
  • Wie bilden wir Orientierung, wenn Verlässlichkeit durch Wahrscheinlichkeit ersetzt wird?

Diese Fragen fordern uns als Gesellschaft, als Eltern, als Schule. Und sie lassen sich nicht mit einem Methodenkoffer beantworten.

Wir brauchen eine Schule, die sich selbst radikal hinterfragt

Wer KI ernst nimmt hört auf, Schule als Organisation von Stoffvermittlung zu denken. Doch damit ist es nicht getan. Nicht nur was gelernt wird, steht zur Debatte, sondern wie und wofür. Die Schule, wie wir sie heute kennen, organisiert Lernen fast ausschliesslich linear, in normierten Zeittakten, aufgeteilt in Fächer, gerahmt von Prüfungen.

Sie diszipliniert Körper durch Stundensignale, diszipliniert Sprache durch Bewertung, sie steuert Biografien durch Selektion. Sie kontrolliert nicht nur den Lernstoff, sondern den Lebensvollzug junger Menschen: ihre Bewegungen, ihre Pausen, ihre Gedanken, ihre Selbstbilder.

In einer Welt, in der sich Menschen zunehmend selbstorganisiert bilden, sich in Netzwerken orientieren und Künstliche Intelligenz komplexe Denkprozesse übernimmt, wirkt dieses Modell komplett überholt. Es ist ein Anachronismus.

Was ist jetzt braucht sind

  • neue Räume für Eigeninitiative
  • neue Rollen für Lehrpersonen (sie sind nicht länger Dozent:innen, sondern Kulturarchitekt:innen)
  • neue Formen der Anerkennung (jenseits von Zensuren)
  • neue Logiken der Zeit (rhythmisiert, individuell, nicht taktfest)
  • neue Massstäbe für Bildung (Orientierung statt Output, Haltung statt Punkte)

Das ist keine Reform. Das ist eine kulturelle Revolution.

Die Zukunft war schon da – ein Rückblick aus dem Morgen

Stell dir vor, wir schreiben das Jahr 2035. Eine ehemalige Schülerin betritt zum ersten Mal wieder ihre alte Schule. Nur erkennt sie sie nicht mehr.

Es gibt keine Stundenpläne mehr, sondern Projektzeiträume. Keine Schulfächer, sondern Themenfelder. Lernen findet in Ateliers, in Werkstätten, auf digitalen Plattformen und in der Stadt statt.

Lehrpersonen heissen Mentor:innen. Sie coachen Teams, begleiten individuelle Lernpfade, moderieren Konflikte und helfen beim Navigieren durch komplexe Fragen.

Es gibt keine Prüfungsphasen, sondern eine Kultur des Zeigens: Wer etwas gelernt hat, stellt es aus, teilt es, lädt ein zur Rückmeldung.

Wissenschaft, Kunst, Technik und Ethik durchdringen sich. Schüler:innen schreiben mit KI, reflektieren darüber mit anderen, entwickeln Ideen, bauen Prototypen, dokumentieren Prozesse.

Dabei lernen sie etwas, das man früher nicht auf Notenbögen fand: Verantwortung. Resonanz. Urteilskraft. Die Schule ist kein Ort mehr, an dem man „unterrichtet“ wird – sondern ein Raum, in dem Menschen sich bilden.

Und jetzt?

Die grösste Gefahr ist nicht, dass KI Schule zerstört. Die grösste Gefahr ist, dass Schule so weitermacht wie bisher und KI dafür benutzt, noch effizienter zu kontrollieren, zu bewerten, zu sortieren.

Deshalb: Lasst uns Schule neu denken, nicht als Reaktion auf Technologie, sondern als Antwort auf die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen.

Wer das nicht wagt, verliert nicht nur den Anschluss an die digitale Welt.
Er verliert das Wesentliche: die Chance, Bildung menschlich zu machen.

Und genau das können wir uns nicht leisten.

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Autor: Christoph Schmitt

Bildungsaktivist | LinkedIn Top Voice | Colearner | TEDx Speaker | Bildungsdesigner | Bildungsethiker | systemischer Coach & Supervisor | Rituals Expert | Blogger | Nörgler | Ressourcenklempner. Ich unterstütze alles, was mit Aus- und Aufbrechen aus Beschulung zu tun hat. Für Jung UND Alt. Meine Kernkompetenz: Entwicklung ganzheitlich begleiten, moderieren, inspirieren.

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